Ein kleiner Umweg mit großer Bedeutung: Die Viscardigasse

Ein kleiner Umweg mit großer Bedeutung: Die Viscardigasse

Die Straße, volkstümlich auch „Drückebergergasse“ genannt, wurde während des NS-Regimes von Münchner*innen genutzt, um den Hitlergruß am Ehrenmal zu umgehen. Heute erinnert eine glänzende Bronzespur an den zivilen Widerstand. Auch die Erinnerung an queere Opfer der NS-Zeit findet in der näheren Umgebung ihren Platz – ein Zeugnis dafür, wie Denkmäler in München zur Aufarbeitung dieses Themas beitragen.

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Der offizielle Straßenname

Hinter der imposanten Feldherrnhalle im historischen Kern der Münchner Innenstadt verbindet eine unscheinbare Gasse die Residenz- mit der Theatinerstraße. Die Viscardigasse ist nach dem Schweizer Barockbaumeister Giovanni Antonio Viscardi benannt, den wir in München die Bürgersaal- und die Dreifaltigkeitskirche verdanken. Auch die Fassade der Heilig Geist Kirche ist zumindest stark vom Stil des Barockarchitekten beeinflusst - der verantwortliche Baumeister Johann Georg Ettenhofer hat den Kirchenbau am Viktualienmarkt nachträglich barockisiert und zuvor bei Viscardi als Polier gearbeitet.

Der inoffizielle Straßenname

Die volkstümliche Bezeichnung der nur gut fünzig Meter langen Straße als Drückebergergasse geht auf den zivilen Widerstand einiger Münchner*innen während der Zeit des Nationalsozialismus zurück. Denn gleich um die Ecke der mit Kopfsteinen gepflasterten Gasse scheiterte am 9. November 1923 der Putschversuch Hitlers. Um an die Opfer des als Heldentat verklärten Vorstoßes der Putschisten zu erinnern, stellten die Nationalsozialsten an der Ostseite der Feldherrnhalle ein Ehrenmal auf - inklusive eines Tag und Nacht positionierten Doppelpostens der SS-Ehrenwache. Von Vorübergehenden wurde an dieser Stelle ein Hitlergruß erwartet. Um diesen zu vermeiden, bevorzugte so manche*r Bürger*in den kleinen Umweg über die Viscardigasse.

Gute Argumente

Um an diesen stillen, zivilen Widerstand zu erinnern, wurde 1995 eine vom Bildhauer und Bronzegießer Bruno Wank gestaltete Bronzespur in das Kopfsteinpflaster eingelassen. Zunächst war die s-förmig geschwungene, etwa 30 cm breite Bronzespur von den umgebenen Pflastersteinen kaum zu unterscheiden. Doch je öfter die Gasse von Passant*innen genutzt wurde, um so mehr begann die Oberfläche zu glänzen. Der Titel der Installation ist "Argumente".

Denkmäler für queere Menschen

Unter den Nationalsozialisten spitzte sich 1934 die Homosexuellenverfolgung nach dem angeblichen "Röhm-Putsch" zu. Der aus machtpolitischen Gründen exekutierte SA-Führer war gerichtskundig Homosexuell, was sich rechtlich anspruchslos für Propaganda nutzen lies. Dies radikalisierte die Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten. Auch für die im Nationalsozialismus verfolgten Lesben und Schwulen gibt es ein Bodendenkmal in der Dultstraße. Ganz in der Nähe der Viscardigasse, beim Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft, wurde 2014 eine fast 20 Meter lange Bronzetafel mit Inschrift ergänzt, die spezifisch auf verfolgte Gruppen eingeht, so auch auf wegen ihrer sexuellen Identität verfolgte Menschen.

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