Regenbogen aus Stein: Ein Denkmal für Verfolgte

Regenbogen aus Stein: Ein Denkmal für Verfolgte

Auf halbem Weg zwischen Marienplatz und Sendlinger Tor, erinnert ein Bodendenkmal an die Verfolgung Homosexueller. Hier war einst das Gasthaus Schwarzfischer, ein wichtiger Treffpunkt der Schwulenszene. 1934 führte dort eine NS-Razzia zur Verhaftung vieler Besucher, einige wurden in Konzentrationslager deportiert. 2017 wurde das Denkmal von Ulla von Brandenburg eingeweiht, das mit bunten Bodenplatten subtil zum Innehalten und Gedenken einlädt.

Schwarzfischer

Hier, an der Ecke Dultstraße und Oberanger, war einst das Gasthaus Schwarzfischer. Das Lokal war nicht nur für die gemütliche Atmosphäre und die deftige Wiener Küche bekannt, sondern auch dafür, dass hier "Homosexuelle mit Anhang verkehren", wie in einem Schreiben der Polizeidienststelle dokumentiert wurde. In der Tat zählte es seit 1929 zu einem der ersten Schwulenbars Münchens. Hier tanzten Männer mit Männern, mitunter Oberkörperfrei, küssend und fummelnd. Es gab eine uneinsichtige Telefonkabine, in die man sich für intimere Aktivitäten zurückziehen konnte. Das blieb auch den Überwachungsbehörden nicht verborgen, das Lokal stand unter polizeilicher Beobachtung.

Gaststätte Schwarzfischer 1910, Gebäudeansicht
Quelle: Stadtarchiv München

Paragraph 175 im Kaiserreich

Rechtliche Grundlage hierfür ist der seit dem Kaiserreich im Gesetzbuch verankerte Paragraph 175: Homosexuelle Handlungen konnten demnach geahndet werden, sofern sie als "beischlafähnlich" eingestuft wurden. Für die Strafverfolgung wurden seit 1871 die später als "Rosa Listen" bezeichneten Karteien mit Personalnotizen angelegt.

Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten

1934 spitzte sich die Homosexuellenverfolgung nach dem angeblichen "Röhm-Putsch" zu. Der aus machtpolitischen Gründen exekutierte SA-Führer war gerichtskundig Homosexuell, was sich rechtlich anspruchslos für Propaganda nutzen lies. Dies radikalisierte die Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten. Noch im selben Jahr kam es deutschlandweit zu einer groß angelegten Razzia. Öffentliche Treffpunkte, darunter auch das Gasthaus Schwarzfischer und Privatwohnungen aus den Rosa Listen wurden durchkämmt. An nur einem Abend wurden 145 Männer festgenommen, einige davon direkt ins KZ Dachau überstellt.

Folgen für Homosexuelle und Lesben

Etwa 15.000 homosexuelle Männer wurden im Nationalsozialismus in Konzentrationslagern inhaftiert - die meisten starben. In der Lagerhierarchie stand diese Gefangenengruppe ganz unten, Aufseher ließen sie härter arbeiten als die übrigen Inhaftierten. Auch Lesben wurden ausgegrenzt und landeten in Einzelfällen ebenfalls in Konzentrationslagern. Das lässt sich heute jedoch nur noch schwer rekonstruieren, da hier nicht der Paragraph 175, sondern vorgeschobene rechtliche Grundlagen herhalten mussten - sie wurden daher als politische Gegnerinnen oder Asoziale inhaftiert.

Nach dem zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik

Nach dem Krieg erhielten die überlebenden Opfer nicht nur keine Entschädigung für ihr Leid, sie mussten sogar fürchten erneut ins Gefängnis zu kommen, um gegebenenfalls ihre Reststrafe zu verbüßen. Faktisch blieb der Paragraph 175 in der Bundesrepublik nämlich intakt und wurde weiterhin angewendet. Er wird erst im Jahr 1969 entschärft, bis dahin werden noch rund 50.000 Männer verurteilt. Aus dem Gesetzbuch gestrichen wird der Paragraph erst 1994. Eine Entschädigung können die zu unrecht Verurteilten seit 2017 beantragen.

Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Lesben und Schwulen

Thomas Niederbühl, als Vertreter der Wählerinitiative "Rosa Liste", beantragte zusammen mit den Grünen ein Denkmal für die von den Nationalsozialisten verfolgten Lesben und Schwulen einzurichten. Als Standort wählte man die Adresse des Schwarzfischers, mit seiner bewegten LGBTQ-Geschichte.


Die Künstlerin Ulla von Brandenburg gewann 2014 mit ihrem Entwurf den Wettbewerb für das Kunstdenkmal. Ein buntes Mosaik aus begehbaren Bodenplatten, in Anlehnung an die Regenbogenfahne, als wichtiges Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung. Sie stehen für eine offene Stadtgesellschaft, in der jede*r einen Platz hat. Sie führen um die Straßenecke herum und bilden so einen Winkel, der an die Stoffabzeichen der Gefangenen in den Konzentrationslagern erinnert. An zwei Stellen sind zudem rosafarbene und schwarze Dreiecke eingelassen - sie repräsentieren die farbliche Kennzeichnung der Inhaftierten Schwulen und Lesben.

Am 27. Juni 2017 eröffnete Oberbürgermeister Dieter Reiter das Mahnmal. So wird an der Stelle des einstigen Schwarzfischers, heute ein Zeichen für eine bunte und offene Stadtgesellschaft gesetzt.

Gendenkfeier zum 90sten Jahrestag der antihomosexuellen Razzia

Im Jahr 2024 jährt sich die erste große antihomosexuelle Razzia der Nationalsozialisten zum 90sten Mal. Aus diesem Anlass findet am Denkmal in der Dultstraße 1 eine Gedenkfeier statt. Gastgeber sind das Forum Queeres Archiv München, die Rosa Liste München und die Stadt München. Die Gedenkfeier versteht sich für alle in der NS-Zeit verfolgten LGBTIQ*-Personen. Neben Ansprachen werden Biografien Betroffener vorgelesen. Anschließend werden die Teilnehmer*innen mit einen Kerzenmarsch zum diversity Café gehen (Blumenstr. 29). Dort gibt es noch die Möglichkeit zu Austausch und Gespräch. Alle Interessierten sind zur Teilnahme eingeladen.

Mehr Infos

Back to blog