Das Platzl in München, heute ein charmantes Touristenziel mit traditionellen Wirtshäusern, war bis in die 1970er Jahre ein florierendes Rotlichtviertel. Mit den Olympischen Spielen 1972 wurden Sexarbeit und Rotlicht-Bars aus der Altstadt verbannt. Auch die Gay-Community erlebte in der Folge Repressionen.
Das Platzl ist Teil der Queeren Free Walking Tour – Jetzt buchen
Wohl einer der schönsten Plätze in der Münchner Innenstadt ist die kleine, dreieckige Straßenerweiterung aus der Orlando- und Pfisterstraße. Kein richtiger Platz, ein kleiner vielleicht - ein Platzl eben. Hier findet man nicht nur das berühmteste Wirtshaus der Welt, sondern auch selten gewordene Beispiele für Altmünchener Bürgerhäuser mit ihren typischen "Ohrwascherl". Soweit das Auge reicht polierte Postkarten-Vibes, so ist schwer vorstellbar dass bis in die frühen 70er Jahre an diesem Ort alles arg heruntergekommen war.
Das Platzl als Rotlichtrevier
Hier war in den Nachkriegsjahren ein veritables Rotlichtviertel entstanden. Rund ums Platzl gab es etwa zwölf Tabledance- und Rotlicht-Bars. Das legendäre "Lola Montez" - benannt nach der berüchtigten Gliebten König Ludwigs I. - war eine davon. Heute serviert hier das Ayinger am Platzl gehobene Wirtshausküche. Für seine schummrige Atmosphäre war auch das "Tilbury" im Orlando-Haus beliebt, hier gaben sich Playboys wie Gunther Sachs und Hugh Hefner die Klinke in die Hand. Auch auf den Straßen warteten Frauen, als Touristinnen getarnt, auf die damals schon zahlreichen Touristen, um sie in die umliegenden Lokale zu locken. Oder in die Ecken und Winkel der durch die Gebäude führenden Platzlgassen, wo man damals noch vor neugierigen Blicken geschützt war.
Der Sperrbezirk und der Dirnenkrieg
Der Dirnenkrieg, Illustration © QueerCityGuide
Damit musste zu den Olympischen Spielen 1972 Schluss sein, bei denen sich München sauber und sittlich präsentieren wollte. Der Sperrbezirk wurde im Stadtrat einstimmig beschlossen, Bordelle und Sex-Shows aus der Altstadt verbannt. Gerade am Platzl, denn das internationale Pressezentrum der Olympischen Spiele war im Hofbräuhaus untergebracht und tagte ausgerechnet im Wappensaal des Bierpalastes, mit direktem Blick aufs Platztreiben.Protestlos haben es die Sexworker der Zeit nicht hingenommen. Drei Tage lang gingen sie auf die Barrikaden. Das berüchtigte Bordell Leierkasten, damals noch in der Altstadt angesiedelt, musste mit 40 Polizist*innen abgesperrt werden um Freier vom Eintritt zu hindern. "Dirnenkrieg" betitelte die Presse den Protest in der Nachbesprechung.
Gezielte Repression der schwulen Szene
Geholfen hat es nichts, die Bordelle verschwanden an den Stadtrand und zehn Jahre später wird sogar noch mal nachgeschärft. 1982 weitet das Kreisverwaltungsreferat unter CSU-Führung den Sperrbezirk erheblich aus. Diese Politik trifft nicht nur Prostituierte, die KVR-Führung spricht offen aus die schwule Infrastruktur in München zerschlagen zu wollen. Hautsächlich von Homosexuellen besuchte Lokale werden geschlossenen, ebensolche Saunen schikaniert und öffentliche Pissoirs stärker beleuchtet und nicht mehr beheizt um die Klappen-Kultur zu sabotieren.
Auch interessant: Das Odeon: Wie ein Konzertsaal LGBTQ+ Geschichte schrieb
Das Platzl und die Platzlgassen heute
In der Gegenwart spürt man von dem Drama nichts mehr. Hier findet man neben dem bei Tourist*innen wie Münchner*innen gleichermaßen beliebten Hofbräuhaus auch das Hard Rock Café, bayerische Wirtschaften, einen japanischen Imbiss und zahlreiche kleine Geschäfte. Die einst zwielichtigen Winkel der Platzlgassen sind heute reizvoll aufgeputzte Innenhöfen, die den Stil der späten 80er mehr erkennen lassen, als es manchem Denkmalschützer lieb sein dürfte. Und dennoch sind sie ein schönes, verstecktes Kleinod der Münchner Altstadt die man mit einem Besuch der aufgeführten Lokale oder einem Stadtspaziergang wunderbar verbinden kann.