Queer Royal: Schloss Nymphenburg und ein königliches Outing

Queer Royal: Schloss Nymphenburg und ein königliches Outing

Ursprünglich als Landvilla konzipiert, wurde Schloss Nymphenburg im 18. Jahrhundert zur barocken Dreiflügelanlage erweitert. Die prachtvollen Innenräume – darunter der Steinerne Saal, die berühmte Schönheitengalerie Ludwigs I. und das Geburtszimmer Ludwigs II. – zeugen von einer bewegten Geschichte, die auch von den heutigen Bewohnern fortgeschrieben wird: So setzte Herzog Franz von Bayern ein Zeichen, indem er sich in einer Hommage an seinen berühmten Vorfahren öffentlich outete.

Entstehung von Schloss Nymphenburg

Kurfürst Ferdinand Maria schenkte das Schloss seiner Gemahlin Henriette Adelaide von Savoyen, anlässlich der Geburt seines lange ersehnten Thronerben Max Emanuel. 1664 zunächst als Lustschloss nach Art italienischer Landvillen konzipiert, baute Max Emanuel das Mittelgebäude eine Generation später zur barocken Schlossanlage aus. So, dass die Dreiflügelanlage in der heutigen Form sogar die Dimensionen von Schloss Versailles übertrifft (zumindest in der Breite). Dem Barockschloss wurden später Elemente des Rokoko und Klassizismus hinzugefügt. Alle Arbeiten wurden unter Regie namhafter Architekten durchgeführt, wie Enrico Zuccalli, Giovanni Antonio Viscardi und schließlich Joseph Effner. 

Highlights beim Rundgang

Zu den Highlights einer Schlossbesichtigung zählt der eindrucksvolle Steinerne Saal, mit seinem Freskenzyklus, der von üppigen Rokokostukkaturen von François de Cuvilliés des Älteren eingefasst ist. Unter Anspielung auf die Pflicht des Herrschers, Frieden zu bringen und zu erhalten, stellt das riesige Deckengemälde den olympischen Götterhimmel dar. Auf der Parkseite huldigen Nymphen der zur Göttin gewordenen Nymphe Flora – Namensgeberin der Sommerresidenz der Wittelsbacher. Bei einem Rundgang streift man auch durch die weltberühmte Schönheitengalerie von König Ludwig I., die 1850 im Auftrag des umtriebigen Monarchen angefertigt wurde. Sie umfasst insgesamt 36 Ölportraits von Frauen aller Gesellschaftsschichten – darunter etwa die „schöne Münchnerin“ Helene Sedlmayr, sowie die Tänzerin Lola Montez, die skandalöse Geliebte des Königs. Geht man weiter, gelangt man in das Geburtszimmer Ludwigs II. An den Märchenkönig und seinen Bruder Otto erinnern die beiden Kinderbüsten auf dem Schreibschrank.

Geburtszimmer von König Ludwig II.

In Königin Carolines Schlafzimmer kam der künftige Thronfolger am 25. August 1845 zur Welt. Er ging als Architekt romantischer Schlösser, als Mäzen Richard Wagners und als menschenscheuer Sonderling in die Geschichte ein. In zahlreichen Tagebucheinträgen wird Ludwigs innerer Kampf um die vergebliche Unterdrückung seiner Sexualität deutlich. Auch Briefe an Vertraute lassen die Gerüchte um seine Homosexualität heute in neuem Licht erscheinen. Ob er sie auch tatsächlich praktizierte, kann dennoch nicht nachgewiesen werden. Seine Entmündigung aber wurde unter anderem mit seinem "moralischen Irresein" begründet - worunter zu dieser Zeit durchaus auch Homosexualität verstanden wurde.

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Der Herzbube des Märchenkönigs

Interessant ist das Verhältnis Ludwigs zu Josef Kainz, den er mit Gunstbeweisen überhäuft hatte. Schon damals machten Gerüchte die Runde, Kainz sei "der neue Herzbube Seiner Majestät". Auf einer Reise durch die Schweiz lies sich der König gemeinsam mit dem jungen Schauspieler fotografieren. Ludwig sitzt dabei auf einem Stuhl, der andere, deutlich jüngere Mann, steht daneben und legt vertraut die Hand auf die Schulter des Königs. Ein Skandal! 

Ein königliches Coming-out

Diese Aufnahme des berühmtesten Wittelsbachers inspirierte den heutigen Chef des Hauses, Herzog Franz von Bayern, auf besondere Art. In der Ausstellung "Unheimlich schön" des Fotografen Erwin Olaf, konnte man 2021 ein Doppelportrait des Herzogs und seines Lebenspartners Thomas Greinwald bewundern. Franz von Bayern sitzt dabei wie sein Vorfahre auf dem Stuhl, sein jüngerer Lebenspartner steht daneben. Mit dieser Aufnahme outete sich erstmals das Oberhaupt eines ehemals königlichen Hauses und sie dürfte im Schloss Nymphenburg entsandten sein. Denn die Wittelsbacher behielten in einem Teil des Schlosses Wohnrecht, das vom jeweiligen Oberhaupt der Familie genutzt wird - derzeit also von Franz von Bayern.

Die Parkburgen im Schlosspark

Mit etwas Glück trifft man den Herzog beim Spaziergang mit seiner Dackeldame durch den 200 Hektar großen Schlosspark. Sollte man ihn verpassen kann man sich mit einer Besichtigung der Parkburgen trösten. In dem Landschaftspark nach englischem Vorbild lassen sich beispielsweise die von Asien inspirierte Pagodenburg, die ruinöse Magdalenenklause und das Jagdschlösschen Amalienburg erkunden. Letzteres ist eines der ältesten und bedeutendsten Rokokobauten Europas.


Schloss Nymphenburg | Öffnungszeiten: April bis 15. Oktober: täglich 9–18 Uhr, 16. Oktober bis März: täglich 10–16 Uhr | Website 

Titelbild von Dovlet Hojayev auf Unsplash

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