Das Odeon: Wie ein Konzertsaal LGBTQ+ Geschichte schrieb

Das Odeon: Wie ein Konzertsaal LGBTQ+ Geschichte schrieb

Das Odeon in München birgt ein Stück LGBTQ+ Geschichte. Erbaut von Leo von Klenze, war das Gebäude einst Konzert- und Ballsaal. 1867 wagte hier der Jurist Karl Heinrich Ulrichs öffentlich die Forderung nach Straffreiheit für gleichgeschlechtliche Liebe. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau dient das Odeon heute als Bayerisches Innenministerium. Jährlich wird der angrenzende Odeonsplatz zur Hauptbühne des Münchner Christopher Street Days, wo die LGBTQ+ Community feiert.

Foto unten rechts: Konzertsaal des Odeon, um 1910, von Bayer. Landesamt für Denkmalpflege Bildarchiv

Das Odeon wurde 1826-1828 durch Leo von Klenze errichtet, spiegelbildlich zum bereits 1821 fertiggestellten Palais Leuchtenberg nebenan. Jener Adelspalast war das erste Gebäude der Ludwigstraße und galt Klenze als Maßstab für die Gestaltung der geplanten Prachtstraße. Die Fassade des Odeons diente also Gestaltungsgründen und gab die Funktion des Gebäudes nicht Preis. Es wurde nämlich als bürgerlicher Konzert- und Ballsaal genutzt, und galt als eine der außergewöhnlichsten Lösungen für einen Konzertsaal im Klassizismus. Im Saal gab es eine halbrunde Exedra für das Orchester, flankiert von übereinander gestellten Säulenreihen. Hinter der Exedra wurden zehn von Johannes Leeb gestaltete Büsten bedeutender Komponisten wie Beethoven, Mozart und Haydn stumme Zeugen der Veranstaltungen.

Der erste Schwule der Weltgeschichte

Darunter nicht nur Konzerte, sondern zum Beispiel auch Tagungen. Wie zum Beispiel der Deutsche Juristentag, der hier 1867 konferierte und für die LGBTQ+ Geschichte der Stadt München von besonderer Bedeutung ist. Denn der Jurist Karl Heinrich Ulrichs trat bei diesem Kongress ans Rednerpult und forderte vor gut 500 Rechtsgelehrten die Revidierung des bestehenden Strafrechts. Er schlug Straffreiheit für gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern vor und erklärte, Homosexualität sei eine natürliche Veranlagung. Seine Sätze gelten als erstes öffentliches Coming-out der Weltgeschichte - und dieses fand im Münchner Odeon statt.

Zwangsmaßnahmen gegen AIDS

Protest gegen den Maßnahmenkatalog, Illustration © QueerCityGuide

Im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff nahezu komplett zerstört, wurde das Gebäude bereits 1951 als Bayerisches Innenministerium wieder aufgebaut und bis heute als solches genutzt. Von hier aus entwickelte Peter Gauweiler 120 Jahre nach Ulrichs mutigem Coming-out den umstrittenen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der AIDS-Krise. Gauweiler war von 1986 bis 1990 Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Inneren. Der 1987 vorgelegte Maßnahmenkatalog sah unter Anderem Zwangstests und Absonderung vor und führte zu Protesten. Bereits zuvor als Leiter des Kreisverwaltungsreferats ging Gauweiler mit großer Härte gegen schwule Lokale vor.

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Der ehemalige Konzertsaal ist seit dem Wiederaufbau ein Innenhof. Seit dem gibt es immer wieder Forderungen zur Rekonstruktion und Wiedernutzung des Saals für Konzerte - jedoch erfolglos. Immerhin macht ein 2007 installiertes Glasdach den Hof zumindest teilweise wieder als Raum erlebbar. Vor dem Gebäude befindet sich das von Schwanthaler (der auch die Bavaria-Statue entworfen hat) gestaltete Reiterdenkmal für König Ludwig I. auf dessen Sockel sich eine kurze Pause einrichten lässt, um über die bewegte (queere) Geschichte des Odeons zu reflektieren.

Mach mal Platz

Foto von CSD München, © EH 2024 

Natürlich ist der ehemalige Konzertsaal auch namensgebend für den Odeonsplatz - selbst Einheimische verwechseln diesen gerne mit dem Platz vor der Theatinerkirche, aber tatsächlich ist es einfach des Gelände vor dem Innenministerium und um das Reiterdenkmal. Hier steht seit 2024 auch die Main PartyArea des Christopher Street Day, um mehr Platz zum feiern zu haben. Übrigens führte schon die erste CSD-Parade in München - 1980 noch als Stonewall Demo benannt - am Odeonsplatz vorbei.

 

Titelbild: Von Enno Kraus - selbst fotografiert, CC-by-sa 2.0/de

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